Bald laufen wieder die Besichtigungs-Rallyes auf den weiterführenden Schulen an. Realschulen und Gymnasien buhlen um die Gunst der Eltern (und Kinder), indem sie Bildung als großen Spaß verkaufen. Im Chemiesaal werden Regenbogenfarben gemischt und nach einer halben Stunde Asterix können die Nachwuchsakademiker schon richtig Latein. Alles medialisiert, logisch. Das Erwachen dürfte in den meisten Fällen schmerzlich sein. Aber auch strukturell haben die Schulen Änderungen vorgenommen, die sie in den Augen der Eltern attraktiver erscheinen lassen. Beispiel Doppelstundenprinzip: Davon versprechen sich Mütter und Väter weniger Stress für ihre Kinder, bedeuten die gebündelten Unterrichtseinheiten doch, dass auf einen normalen Sechs-Stunden-Tag nur drei Fächer vorzubereiten sind. Ich halte das für eine Milchmädchenrechnung. Denn gerade in den Sprachen festigt sich der Stoff besser, wenn jeden Tag gelernt wird. Zudem ist das angehäufte und auf die nächste Einheit vorzubereitende Pensum beim Doppelstundenprinzip wesentlich größer. Die wenigsten Kinder können mit zehn, elf Jahren einen durchdachten Wochenplan erstellen. So häufen sich Lücken an, die vor den Schulaufgaben kaum mehr aufzuholen sind. Dann beschweren sich die Eltern beim Lehrer über den nicht zu bewältigenden Stoff und fordern eine Entschlackung des Lehrplans. Vorher wünschen sie sich aber noch etwas anderes: Da sich die Kinder ja kaum 90 Minuten am Stück konzentrieren könnten, müssten in die Doppelstunden ausreichend Pausen integriert werden, am besten alle 20 Minuten. Zur Hälfte der Zeit sei eine "Sause-Pause" die beste Lösung, schließlich litten die Kinder ja an Bewegungsmangel und bräuchten dringend frische Luft. Mein Fazit: Eine Doppelstunde kann durchaus Sinn machen, z.B. in Mathe oder Deutsch, um längere Übungsphasen zu ermöglichen. Als Strukturprinzip beschert es uns aber nicht weniger Stress, sondern weniger Wissen.