Sternekoch Stefan Marquard bestätigt, was meine Analyse zur Medialisierung der Wohnung ergab: Die offene Designer-Küche ist Fassade, ist Bühne für die erfolgreiche Mittelschichtbiographie, gekocht wird immer weniger. In einem Artikel in der Zeitschrift "Zukunft Jetzt" erklärt er: "Die Küche ist bei uns zu einem wichtigen Statussymbol geworden. Die Leute arbeiten viel, um viel Geld für eine Küche auszugeben, die aber bitte nicht dreckig werden darf. Zum Kochen fehlt ihnen dann die Zeit, klagen sie" (Ausgabe 3, 2018, S. 13). Marquand hat festgestellt, dass viele Kinder keinen Bezug zu Ernährung und Essen haben, "eine ganze Generation hat nicht kochen gelernt". An den Kindern liegt das nicht, sondern am Lifestyle der Eltern. Marquard engagiert sich an Schulen, trainiert z.B. Mensa-Köche. Er hat in zwei Jahren über 50 Schulen besucht und kein Kind getroffen, das keine Lust zum Kochen hatte. Vielleicht sollten wir uns wieder mehr Zeit für unsere Kinder, unser Essen, das Kochen nehmen. Dazu braucht es keine Inselesse, keinen Dampfgarer und keinen Thermomix, sondern eine Alltagsstruktur, die Raum für das Wesentliche lässt. Und Freude am Kochen wäre natürlich auch hilfreich. Die diskursive Abwertung der häuslichen Sphäre steht dem allerdings entgegen. Wer will schon Heimchen am Herd sein. Dann lieber ein bisschen Event-Cooking am Wochenende. Das ist in unserer medialisierten Gesellschaft positiv besetzt.